Mittwoch, 26. Februar 2020

Gericht erlaubt geschäftsmäßige Beihilfe zur Selbsttötung

Diakonie RWL setzt sich für bessere palliative Sterbebetreuung ein

Düsseldorf, 26. Februar 2020. Sterbehilfe ist unter strengen Voraussetzungen rechtens. Das Bundesverfassungsgericht hat heute das bislang bestehende Verbot zur organisierten Hilfe zur Selbsttötung gekippt. "Das Urteil zeigt, dass wir uns zu selten fragen: Was brauchen sterbende Menschen? Wie können wir ihnen helfen, selbstbestimmt und gut begleitet ihr Lebensende zu gestalten?", sagt Christian Heine-Göttelmann, Vorstand des Diakonischen Werks Rheinland-Westfalen-Lippe. Anlässlich der Entscheidung spricht sich die Diakonie RWL dafür aus, sterbende Menschen besser zu betreuen. 

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"Noch immer sterben in Deutschland zu wenige Menschen selbstbestimmt in ihrer gewohnten Umgebung. Rund die Hälfte aller 850.000 Menschen, die jährlich in Deutschland sterben, verbringen ihre letzten Minuten in einem Krankenhaus, ein Drittel in einer Altenpflegeeinrichtung", so Christian Heine-Göttelmann. Von den über 60 stationären Hospizen in NRW befinden sich 14 in Trägerschaft von Diakonie und Kirche. Es gibt 54 ambulante Hospizdienste und 25 ambulante Palliativdienste unter dem Dach der Diakonie RWL.

Sterbehilfe gestalten und regulieren

Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts betreffe in erster Linie extreme Einzelfälle – Menschen mit schwersten Erkrankungen, erklärt Katharina Ruth, Leiterin des ambulanten Hospizdienstes "Die Pusteblume" der Diakonischen Altenhilfe Wuppertal. "Wir müssen anerkennen, dass es immer Grenzbereiche geben wird. Ein reflexartiges ‘Nein’ bringt uns da nicht weiter. Und das hat das Bundesverfassungsgericht heute anerkannt."

Stattdessen müsse jedem Menschen die Möglichkeit gegeben werden, sein Sterben selbst zu gestalten. "Dazu gehört für mich auch das Recht auf kontrollierte Sterbehilfe. Deshalb begrüße ich die Entscheidung. Ich persönlich glaube nicht, dass es jetzt zum Dammbruch kommt. Der Wunsch des Menschen zu leben, ist riesengroß. Trotzdem müssen wir in aller Ernsthaftigkeit prüfen, wie wir die Sterbehilfe gestalten und regulieren können." Über 200 Menschen werden jedes Jahr durch den ambulanten Hospizdienst "Die Pusteblume" betreut. Selbst schwerstkranke Menschen versuchten, bis zum Schluss mit palliativen Möglichkeiten so lange wie möglich zu leben, beobachtet Ruth.

Aufschrei beim ‘normalen’ Sterben fehlt

Angesichts der andauernden Debatte über die organisierte Hilfe beim Suizid wünscht sich Ruth die gleiche Aufmerksamkeit für alte oder demente Menschen. "Mir fehlt der Aufschrei, wenn es um das ‘normale’ Sterben geht", sagt die Leiterin des ambulanten Hospizdienstes. Laut einer Bertelsmann-Studie bekommen nur 30 Prozent der Sterbenden vor dem Tod eine palliative Versorgung, aber 90 Prozent benötigten sie. 

Eine Stärkung der Hospiz- und Palliativversorgung hatte die Bundesregierung in ihrem Koalitionsvertrag zugesichert. CDU/CSU und SPD müssten ihr Versprechen jetzt umsetzen, fordert Christian Heine-Göttelmann. "Wir brauchen zudem eine bessere Vernetzung zwischen Pflegenden, Ärzten, Angehörigen und Sterbenden." Nur so könne der Wille des Sterbenden respektiert werden. "Der natürliche Tod kann durch unsere Strukturen zu selten stattfinden." Es werde noch immer zu lange auf eine lebenserhaltende statt auf schmerzlindernde Behandlung gesetzt. Mediziner, Pflegende und Betroffene müssten sich viel enger austauschen, zum Beispiel in Form von runden Tischen. 

"Wir brauchen bessere Strukturen und eine transparente Dokumentation der Entscheidungen der Sterbenden. Wenn der Rettungssanitäter gerufen wird, muss klar sein, ob der Mensch Zuhause sterben will oder nicht", sagt Ruth. Zu häufig würden alte sterbende Menschen mit Atemproblemen in Krankenhäuser gebracht aus Angst vor möglichen rechtlichen Konsequenzen. Ein Palliativpass, indem genau festgehalten wird, ob und welche notärztliche Versorgung gewünscht ist, könne Rechtssicherheit schaffen.